- Massenmedien: Die digitale Revolution
- Massenmedien: Die digitale RevolutionIn den nächsten Jahrzehnten geht der Trend aller Massenmedien in Richtung Digitalisierung. Längst unverzichtbar ist die digitale Technik bei der Produktion medialer Inhalte etwa in Fernseh- und Radiostudios oder beim Nachbearbeiten von Kinofilmen. Mehr Zeit dagegen benötigt die Umstellung der Verteiltechniken und heimischen Empfangsgeräte auf den digitalen Betrieb. Absehbar ist jedoch, dass Radio, Fernsehen, Video und Kino bis zum Jahr 2010 vollständig digitalisiert sein werden. Zu groß sind die Vorteile der Digitaltechnik: Neben der hohen Bild- und Tonqualität beim Abspielen und Speichern verhält sich die Technik weitaus weniger empfindlich gegen Übertragungsstörungen als die herkömmliche Analogtechnik.Dass der Wechsel zu volldigitalen Systemen bei den Konsumenten noch so lange dauern wird, liegt vor allem an der großen Zahl analoger Endgeräte. Die durchschnittliche Lebensdauer eines herkömmlichen Farbfernsehgeräts liegt heute schon bei deutlich mehr als zehn Jahren. Erst nach Ablauf dieser Zeit sind Verbraucher gewöhnlich bereit, sich ein neues Gerät — und damit auch die neue Technik — anzuschaffen. Ein langfristiges Nebeneinander von analoger und digitaler Übertragung sorgt dafür, dass Besitzer der neuen Digitalgeräte die moderne Technik nutzen können, während Besitzer alter Analoggeräte noch die gewohnte Grundversorgung an Programmen empfangen.Dabei sollte nicht übersehen werden, dass das digitale Zeitalter schon längst begonnen hat: Seit 1997 werden in Deutschland digitale TV-Programme ausgestrahlt, digitales Radio gibt es sogar schon länger. Wir leben also bereits mitten in der Zeit des Umbruchs — die digitale Revolution der Massenmedien ist schon in vollem Gange.Mobile Unterhaltung: Technik im UmbruchSchon heute zeichnet sich ab, wie die Massenmedien der Zukunft aussehen. Parallel zu der Individualisierung der Gesellschaft ändern sich die Ansprüche und Gewohnheiten der Verbraucher bei der Mediennutzung. Beim preiswerten Radio manifestiert sich dieser Trend am deutlichsten: Zu unterschiedlichen Zeiten und Situationen im Alltag nutzt der Hörer jeweils unterschiedliche Empfangsgeräte. Der Radiowecker hilft morgens beim Aufstehen, ein Radio im Badezimmer unterhält während der Morgentoilette. Das Autoradio spielt auf dem Weg zur Arbeit, am Arbeitsplatz steht ein eigenes Gerät. Jugendliche verwenden vor allem mobile Empfangsgeräte, und in Kinderzimmer und Küche finden sich üblicherweise weitere Radios. Die »große« Stereoanlage im Wohnzimmer ist besonderen Anlässen vorbehalten — etwa der musikalischen Untermalung von Besuchen oder dem bewussten Hören einer interessanten Sendung.Andere elektronische Medien werden diesem Schema folgen. Beispiel Fernsehgerät: Viele Haushalte nutzen bereits Zweit- und Drittgeräte und ebenso mobile Empfangsgeräte — bis hin zum Fernsehempfang im Auto oder Wohnmobil. Künftige Empfangsgeräte werden sich an diesem Trend orientieren. Japanische Unternehmen entwickeln bereits Brillen für den mobilen Empfang von Fernsehsendungen. Auch Geräte für die mobile Nutzung des Internets bietet der Handel heute schon in rudimentärer Form an — die Industrie wird in den kommenden Jahren technisch jedoch noch leistungsfähigere Varianten produzieren.Traditionelle elektronische Medien wie Fernsehen oder Radio sind heute vor allem an ihre Übertragungskanäle gebunden. Künftig wird es zu den etablierten Übertragungswegen allerdings immer mehr Alternativen geben: Auch über Internet lassen sich Fernsehsendungen ausstrahlen, selbst per Mobilfunk werden sich künftig Bewegtbilder übertragen lassen. Künftige Multimediatechniken bieten auf diesen Übertragungswegen eine Bild- und Tonqualität wie das heutige Fernsehen. In einigen Jahren wird deshalb möglicherweise bereits eine Mittelklassefamilie über mehrere dezentrale Abruf- beziehungsweise Empfangsgeräte für Internet und konventionelle elektronische Medien verfügen.Wo sich die Dimensionen ändern: FernsehenDigitale Fernsehprogramme gibt es in Deutschland schon seit 1997. Zunächst wurden sie über Satelliten ausgestrahlt, mit einigem zeitlichem Abstand folgte auch die Verbreitung über Kabelnetze. Damit Fernsehbilder mitsamt Ton über die bereits vorhandenen Kanäle geschickt werden können, müssen die digitalisierten Signale stark komprimiert werden.Zu diesem Zweck entwickelten Fachleute für Fernseh- und Kinotechnik das Datenreduktionsverfahren MPEG-2, mit dem sich die Datenmenge digitaler bewegter Bilder bis zum Faktor 30 verringern lässt, ohne dass es zu sichtbaren Einbußen in der Bildqualität kommt. Dieses Verfahren arbeitet so effektiv, dass sich auf einem konventionellen analogen Fernsehkanal bis zu sechs digitale Programme übertragen lassen. Damit erlaubt die Digitaltechnik einerseits die Übertragung von erheblich mehr Fernsehprogrammen über die bisherigen Verteilsysteme. Andererseits ergeben sich neue Anwendungsmöglichkeiten — etwa die Ausstrahlung von Sportveranstaltungen aus verschiedenen Kameraperspektiven. Die Digitalisierung bietet außerdem die Chance, Fernsehbilder in besserer Qualität zu übertragen — das heißt störungsfrei und mit einer höheren Bildauflösung als bisher.Trotz einiger Anläufe hatte sich »höher auflösendes Fernsehen« in der Zeit der analogen TV-Technik noch nicht durchsetzen können. Das High Definition Television — kurz HDTV — findet seine Anhänger heute allenfalls in Nischenbereichen, etwa bei der Präsentation von Industriefilmen auf Messen. Doch da sich ein Trend zu immer größeren Bilddiagonalen abzeichnet, wird auch der Bedarf an höheren Bildauflösungen steigen. Denn die Freude an großen Bildschirmen ist schnell getrübt, wenn die Zeilen — beziehungsweise die Rasterstruktur der elektronischen Bilder — zu offensichtlich wird. Dank HDTV verdoppelt sich die Zeilenzahl im Fernsehbild: Statt der bei analogen TV-Geräten üblichen 576 sichtbaren Bildzeilen sollte HDTV 1152 sichtbare Zeilen darstellen. Einer der wesentlichen Gründe, warum sich HDTV nicht durchsetzen konnte, besteht in der mangelnden Kompatibilität zwischen bisherigen niedrig auflösenden TV-Standards und den höher auflösenden HDTV-Standards.Neue Ansätze versprechen mehr Erfolg: So übermittelt die fraktale Bildkompression digitale Fernsehsignale, die von den verschiedenen Empfangsgeräten mit jeweils unterschiedlicher Auflösung dargestellt werden können. Damit passt sich dieses Verfahren den individuellen Bedingungen optimal an und wird deshalb gleichermaßen von Herstellern wie auch von Programmanbietern favorisiert. Auch dreidimensionales Fernsehen lässt sich mithilfe der fraktalen Bildkompression verwirklichen. Doch obwohl dreidimensionales räumliches Fernsehen schon seit Jahrzehnten als wichtige Zukunftsentwicklung gilt, bleibt diese Form des Fernsehvergnügens für absehbare Zeit wohl noch eine Randerscheinung. Möglicherweise werden bestimmte Programminhalte wie eigens dreidimensional produzierte Spielfilme oder Spielshows gezielt in dieser Technik ausgestrahlt. Der immense Fundus an zweidimensionalen Programmkonserven wird jedoch sicherlich auch künftig weiterhin in konventioneller 2-D-Technik ausgestrahlt.Gehörig weiterentwickelt: das RadioAuch am ältesten elektronischen Medium, dem Radio, geht der Trend zur Digitalisierung nicht vorüber. Heute greifen bereits fast alle Radiosender auf digitale Musikarchive zurück, seit 1996 testen Rundfunktechniker in einigen Pilotprojekten die digitale terrestrische Ausstrahlung (»Digital Audio Broadcast«). Ähnlich wie beim Fernsehen wird sich Digitalradio nach einer Phase des Parallelbetriebs mit analogen Diensten durchsetzen. Die veraltete Technik wird dagegen nur noch dazu dienen, besonders preiswerte Empfangsgeräte wie Walkmen oder Uhrenradios zu versorgen. Auch das Radio profitiert von der Digitaltechnik mit einer Vielzahl von Zusatzdiensten — angefangen bei Programmtyp-Kennungen bis hin zu eigenen redaktionellen Inhalten wie Textmeldungen oder regionalisierten Verkehrsinformationen. Vor allem in Fahrzeugen werden Radiodienste mit intelligenten Stauwarnern, Navigations- und Kommunikationssystemen verschmelzen.Da der Hörfunk geringere Übertragungskapazitäten als das Fernsehen benötigt, fand er auch früher den Weg über das Internet. Schon heute strahlen viele Radiosender ihre Programme parallel zur terrestrischen Verbreitung auch über das weltweite Datennetz aus. Davon profitieren vor allem Zuhörer, die sich nicht im unmittelbaren Ausstrahlungsgebiet des Radiosenders befinden — etwa während Auslandsaufenthalten. Doch solange der Zugang zum Internet nahezu ausschließlich über Telefonleitungen oder andere Kabel möglich ist, gilt die Internetausstrahlung von Radioprogrammen eher als Zusatzangebot zum eigentlichen Radiodienst denn als technische Nachfolge. Zwar wird auch der Zugriff auf das Internet in Zukunft zunehmend per Funk stattfinden. Dennoch ist der technische Aufwand für einen drahtlosen Hörfunkempfang auf Internetbasis auf absehbare Zeit noch zu hoch, um mit der konventionellen Ausstrahlung sinnvoll konkurrieren zu können.Filme auf AbrufMit der zunehmenden Kommerzialisierung der Medien gehen einige neue Nutzungsmöglichkeiten einher. Schon heute sind Techniken wie »Bezahl-TV«, «Video auf Abruf« (Pay-TV, Pay-per-View beziehungsweise Video-on-Demand) und ähnliche Techniken im Einsatz. Es ist allerdings anzunehmen, dass eine Reihe dieser technischen Experimente auch wieder vom Markt verschwinden wird. Denn politisch überwiegt in Deutschland der Wunsch, auf absehbare Zeit die Dualität zwischen öffentlich-rechtlichem Fernsehen und privaten Anbietern aufrechtzuerhalten. Eine Grundversorgung mit Nachrichten, Hintergrundberichten sowie auch Unterhaltung und Sport wird nach wie vor das öffentlich-rechtliche System anbieten. Der kommerzielle, private Sektor teilt sich wiederum in zwei Schwerpunkte auf: ein Grundangebot in Konkurrenz zum öffentlich-rechtlichen Programm sowie Premiumdienste, bei denen zusätzliche Gebühren anfallen. Dem Wunsch mancher Zuschauer nach besonders frühzeitig ausgestrahlten Kinofilmen oder nach exklusiven politischen oder wirtschaftlichen Nachrichten könnte hier Rechnung getragen werden. Welche Premium-Angebote sich wirklich über längere Zeit halten können, ist noch offen — denn solche Angebote können sich naturgemäß nur an schmale Zielgruppen richten.Auch die zunehmend digitalisierten Verteilsysteme tendieren immer mehr zur Privatisierung. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis privatwirtschaftliche Unternehmen die deutschen Kabelfernsehnetze übernehmen werden. Ihre Strategie besteht darin, das Programmangebot in einzelne Pakete zu unterteilen, die separat abonniert werden müssen: Grundangebot, Sportpaket, Spielfilmpaket oder etwa ein Auslandspaket. Da sich der Betrieb aufwendiger Verteilstrukturen für private Investoren nur bei erhöhten Einnahmen lohnt, werden mittelfristig Abonnementdienste wie Kabelfernsehen deutlich teurer werden. Angesichts dieser Entwicklung verspricht der Satellitenempfang die preislich interessantere Alternative zu sein. Vorausgesetzt natürlich, die Satellitenbetreiber folgen nicht dem Beispiel der Kabelnetze und verschlüsseln ihre Programme, um sie in Abonnementpaketen anzubieten.Obwohl der normale Fernsehempfang also teurer wird, sind Speichermedien wie die heutige Videokassette langfristig dennoch auf dem Rückzug. Die derzeit verbreitete VHS-Kassette wird nach Ansicht von Marktbeobachtern bis zum Jahr 2010 deutlich an Marktanteilen verlieren. Für den Kauf von Filmen sowie zum dauerhaften Archivieren gewinnt die digitale Scheibe DVD zunehmend an Bedeutung. Mit der Einführung von bespielbaren Discsystemen dürfte die digitale Scheibe aufgrund ihrer technischen Vorteile — bessere Bildqualität und direkter Zugriff auf das komplette Programmmaterial — die Magnetbandkassette letztlich völlig verdrängen. Diese Entwicklung findet allerdings in einem schrumpfenden Markt statt.Denn die ständige Verfügbarkeit von Unterhaltungsprogrammen über Angebote wie Pay-per-View macht das Kaufen oder Mieten physikalischer Medien langsam überflüssig.Wachsen zusammen: Fernsehen und InternetDas weltweit verbreitete Datennetz »Internet« übernimmt immer mehr die zusätzliche Funktion eines zentralen Verteilkanals für audiovisuelle Medieninhalte. Dieser Trend hat seinen Ursprung im Computermarkt. Dort wachsen derzeit PC-Technik und Fernsehen zusammen. Diese Entwicklung, die mit dem allgemeinen Trend zur Digitalisierung einhergeht, zieht mittelfristig auch die Annäherung von Internet und Fernsehen nach sich. Multimediale Zusatzdienste wie der von den meisten deutschen Fernsehanbietern ausgestrahlte Videotext erscheinen deshalb künftig mit der Präsentationsform und Technik des WorldWide Web. Der von den Sendern ZDF und DSF in Zusammenarbeit mit der Firma Intel betriebene »Intercast«-Dienst demonstriert, wie solche internetbasierten Zusatzdienste zum Fernsehprogramm aussehen können. Dabei handelt es sich um Internet-Seiten, die der Anbieter begleitend zu seinem Fernsehprogramm »huckepack« im TV-Signal ausstrahlt. Die verfügbaren technischen Mittel erlauben schon heute, Fernsehprogramme ins Internet einzuspeisen, wenn auch noch in kleinen Bildfensterchen mit geringer Bild- und Tonqualität. In den nächsten Jahren wird die Übertragungsbandbreite jedoch erheblich wachsen. Folglich können übers Internet ausgestrahlte Nachrichten und Spielfilme in der gewohnten, wenn nicht sogar in besserer Qualität als beim heutigen analogen Kabel- und Satellitenfernsehen empfangen werden.Firmennetzwerke übertragen heute schon Bild und Ton — etwa für Videokonferenz-Anwendungen — auf der Basis von Internettechniken. Da sich Kabelfernsehnetz- und Satellitenbetreiber künftig auch im lukrativen Geschäftsbereich des Internetzugangs engagieren möchten, ist es für sie aus wirtschaftlicher wie auch technischer Sicht sinnvoll, ihre Verteiltechniken an Internetstandards anzupassen. Indem sich Fernsehen und Internet immer mehr annähern, ergeben sich daraus vielfältige neue Dienste und Programmvarianten. So lassen sich Fernsehinhalte beispielsweise mit Datenbanken und Hintergrundinformationen aus dem Internet verknüpfen. Wer sich für ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Nachricht interessiert, kann auf Knopfdruck weiterführende Dokumente aus dem weltweiten Datennetz abrufen. Erscheinen solche Informationen anfangs nur als einfacher Text oder als Grafik, werden auch sie im weiteren Verlauf multimedial aufbereitet sein.Denkbar wäre etwa, dass dienstbare Geister im Internet ihren Besitzer darauf hinweisen, wenn Freunde oder Bekannte in einer Fernsehsendung auftreten. Internetvisionäre prognostizieren die Entwicklung solch intelligenter »Assistenten«, die es dem Rezipienten ermöglichen, aus dem schier unerschöpflichen Informationsangebot genau die Nachrichten und Fernsehprogramme zu ermitteln, die den persönlichen Bedürfnissen und Interessensschwerpunkten des Zuschauers entsprechen. Solche Systeme werden zudem lernfähig sein, also aus früher getroffenen Entscheidungen die jeweiligen Interessen des Zuschauers ableiten können. Auch das persönliche Umfeld des Rezipienten kann der virtuelle Assistent berücksichtigen. Um solche Anwendungen und Dienste zu ermöglichen, ist es notwendig, die digitalen Formate und Schnittstellen zu standardisieren. Erst diese einheitliche Technik ermöglicht den digitalen Medien wie Fernsehen, Radio und Internet, zu einem Ganzen zusammenzuwachsen.Dipl.-Ing. (FH) Hannes RügheimerWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Internet: Globale VerbindungDienstleistungen für das 21. Jahrhundert. Gestaltung des Wandels und Aufbruch in die Zukunft, herausgegeben von Hans-Jörg Bullinger. Stuttgart 1997.Gates, Bill: Der Weg nach vorn. Die Zukunft der Informationsgesellschaft. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München 1997.Kaku, Michio: Zukunftsvisionen. Wie Wissenschaft und Technik des 21. Jahrhunderts unser Leben revolutionieren. Aus dem Amerikanischen. München 1998.Mitchell, William J.: City of bits. Leben in der Stadt des 21. Jahrhunderts. Aus dem Englischen. Basel u. a. 1996.Negroponte, Nicholas: Total digital. Die Welt zwischen 0 und 1 oder die Zukunft der Kommunikation. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München 1997.Popcorn, Faith/Marigold, Lys: »Clicking«. Der neue Popcorn-Report. Trends für unsere Zukunft. Von clanning bis zu cyberpools. Neue Ideen für das Jahr 2000. Aus dem Amerikanischen. Taschenbuchausgabe München 1997.
Universal-Lexikon. 2012.